Kritiken

Abfall-Ikonen & Müll-Madonnen

Angela Wohnouts malerische Collagen, halten dem Betrachter die Zeichen der Zeit vor Augen.

Collagen aus glitzernden Abfallresten, an Motiven alter Meister angelehnt, demonstrieren gnadenlos die zum Konsumrausch verkommenen Feste, die uns lange als heilig galten.

Wirklich großartig ist, wie Angela Wohnout es schafft uns den Spiegel vorzuhalten, ohne zu verurteilen.

Weder die Irrungen der ach so modernen Gesellschaft noch das Individuum wird an den Pranger gestellt, weil wir anstelle von Nächstenliebe Schokolade schenken.

Im Gegenteil, mit süßer Versöhnung treffen uns ihre Werke mitten ins Herz.

Genau das muss Kunst können. Und Angela Wohnout kann es mit virtuoser Treffsicherheit!

Robert Süss, Wien 2019

Angela Gabriela Wohnouts „Ikonen“

Mit den „Abfall-Ikonen“ hat Angela Gabriela Wohnout sich einem neuen Medium zugewandt: Der malerischen Collage.

Die spielerisch-ironische „Verwechselung“ der Ebenen von Profanen und Heiligen mit konsumkritischen Untertönen findet sich bei Wohnouts neuesten pointierten Werken wieder, den „Abfallikonen“. Hierfür hat die Künstlerin aus unzähligen bunten Verpackungen von weihnachtlichen Süßigkeiten aufwändige Collagen geschaffen. Sie stellen Motivwe in Anlehnung an alte Meister dar. Auf „Ihr Kinderlein Kommet“ hält Wohnouts Maria jedoch ein Überraschungsei – gewichtig, wie eine Königin ihr Zepter - in der Hand. An dieser Stelle wird natürlich auch auf die christliche Bedeutung des Eis als Symbol für Befruchtung Geburt und Neuanfang, für die Erschaffung allen Lebens angespielt. Auf „Alle Jahre wieder“ ist das Christkind auf dem Schoß der Mutter Gottes von einem dicklich-puttenhaften Weihnachtsmann der Marke Merci ersetzt worden. In einer weiteren Arbeit, die einem leuchtenden runden Kirchenfenster ähnelt und in ihrer Farbpracht zunächst den Atem verschlägt, finden sich Osterhasen neben Weihnachtsmännern brav in die Struktur der Fensterelemente eingefügt. Die Beliebigkeit christlicher Feste unterm Konsumaspekt, der nur das Klingeln der Kassen registriert, wird hier treffend ironisiert.

Angela Wohnout spielt mit der Erwartungshaltung des Betrachters: Man muss zweimal hingucken, bis man in all dem optisch überwältigenden Glänzen und Funkeln die fremden Elemente, die Konsumartikel, Überraschungsei oder Weihnachtsmann, entdeckt. Die Inszenierungen sind, auf den ersten Blick perfekte Simulationen christlicher Motive. Dabei amalgamiert Wohnout geschickt Gegensätze: christlich-abendländische Geschichte und weihnachtlich-konsumistische Gegenwart, Ursache und Wirkung, Sinngebung und Sinnlosigkeit, demütige Stille, Abgeschiedenheit (Mutter mit Kind) auf der seinen Seite und ökonomisch angetriebenen Trubel, Lärm von raschelnden und knisternden Verpackungsbergen auf der anderen, den einzigen Sohn Gottes und das unzählbare Massenprodukt, Heiligtum und Müll.

Dabei kann man diese „Müllmadonnen“ auf verschiedene Weise „lesen“: Als Konsumkritik an Weihnachtsfesten, die aus Schokolade statt aus Nächstenliebe bestehen, aber auch als gelungene Integration des Profanen in das Heilige. Das Profane fügt sich schließlich ins heilige Bild ein und zerstört es nicht, es ist die gestaltende Substanz: Aus den vielen metallisch glänzenden Verpackungspapieren selbst setzt sich das Heilige zusammen. Kann das Heilige mehr sein als seine vielen - menschlich-profanen – Einzelvertreter? Ist Gott kein fernes Wesen im Himmel, sondern nicht mehr und nicht weniger als ein gemeinsames kollektives Wesen, gewissermaßen das Beste und Schlechteste von uns allen? In der zentralperspektivischen ikonenhaften Harmonie und vertrauten Statik der altbekannten Mutter-Kind-Darstellungen, mit den kuckuckseihaften Überraschungs-Ei-Momenten liegt etwas Tröstliches und Grundhumanes - wie in so vielen Werken von Wohnout, die sich immer wieder mit der Conditio Humana, mit den Irrungen und Wirrungen der menschlichen Existenz auseinandersetzen. Man kann dem Menschen - vielleicht doch - seinen infantilen Konsumismus, seinen trivial pursuit of happiness verzeihen. Diese Marien sehen nicht zornig, sondern nach süßer Versöhnung aus.

Affirmation und Negation – sowohl von christlichen Vorstellungen wie auch vom allgegenwärtigen, an Weihnachten jedoch auf die Spitze getriebenen Konsumismus - halten sich bei den „Müllmadonnen“ die Waage. Diese uneindeutige Haltung, das Oszillieren zwischen augenzwinkernder Kritik und spielerisch-verschmitzter Affirmation machen Wohnouts Arbeiten so interessant. Der Betrachter hat selber noch etwas zu tun, er bekommt von der Künstlerin keine wertende Position vorgesetzt, sondern wird nach seiner Meinung befragt. Und das auf eine ästhetisch sehr überzeugende Weise.

© Tanja Dückers, Oberlin, im September 2016

Angela Wohnouts Gemälde begeistern auf den ersten Blick

Es sind poetische, oft „rätselhafte“ Kompositionen aus einer oder zwei meist semiabstrakten Figuren mit einer sicheren Verwendung von fein abgestuften leuchtenden frischen Farben. Auch mutig gesetzte Grelltöne überlasten die Bilder nicht, sondern dramatisieren sie punktuell – Wohnout verfügt über einen malerischen Gestus, der für sich in Anspruch nehmen kann, ebenso die Klassik wie auch die gegenwärtige Malerei zu reflektieren.

Die von Wohnout oft eingesetzten Konturenverschiebungen bei den dominanten Bildelementen lassen einen spannenden Effekt von Bewegung entstehen. Gleichzeitig beeinflussen diese Verschiebungen die Wahrnehmung des Betrachters: Figuren können Wesen und Schatten sein oder aneinandergereihte Seinsmomente, Gegenwart und Vergangenheit, oder generationelle Folgen wie bei den Matroschka-Puppen - manche Figuren scheinen eine Art Aura, ein erweitertes Ich zu besitzen, oft durchdringen sich Figuren körperlich gegenseitig, scheinen sich ineinander aufzulösen.

So reduziert, abstrahiert und verfremdet Angela Wohnouts figurenhafte Wesen oft wirken: Sie malt fast immer nach Modell. Bei den Doppelfigurenbildern malt sie zunächst eine ganze Serie, auf der jeweils Platz für die Entwicklung einer weiteren Figur gelassen wird. Erst später, mit zeitlichem Abstand zur ersten Figur, folgt dann die zweite. Das dargestellte Beziehungsdickicht spiegelt bei Wohnout nicht „eigene Zustände“, wie die Künstlerin sagt, sondern „das, was ihr entgegenkommt“: Sie hat die Kraft der Zurückhaltung, lässt die Figuren sich selbst werden und „zueinander finden“, die spezifischen Kompositionen entstehen bei Wohnout aus großer Intuition, sie zwingt ihnen keinen vorgegebenen Plan auf – nie ist die Bildkomposition wirklich kalkuliert. Genau das spürt der Betrachter, er wird nicht emotional manipuliert, er hat es nicht mit Effekthascherei und nicht mit Klischeedarstellungen zu tun: Wohnouts Figuren vermitteln keine eindeutigen Gefühlszustände oder Beziehungstopoi - mal geht von ihnen etwas Laszives, mal etwas Müdes-Introvertiertes aus, mal strahlen sie etwas symbiotisch-aufeinander-Bezogenes aus, mal vermitteln sie eine existentielle Einsamkeit, sie können überraschend alltäglich wirken (wie in der „Duschserie“), dann wieder erhaben wie ferne Feen – sie erlauben vielschichtige Erzählweisen, die den Betrachter in seiner Wahrnehmung eine gewisse Freiheit lässt. Tatsächlich sagt die Künstlerin von sich, „ich möchte, dass dem Betrachter mein Bild gut tut“ - unter diesem Gut-Tun ist nicht Erhebung durch dargestellte Fröhlichkeit zu verstehen, sondern ein Gefühl sanfter Versenkung und Verstrickung in die Bilder.

Beeinflusst von den Malern der Frührenaissance, insbesondere von Fra Angelico, will Angela Wohnout „schöne Bilder“ machen, doch ist ihr Begriff von Schönheit absolut auf der Höhe der Zeit: Ihre Figuren sind schön in ihrer Vielgestaltigkeit, Verletzlichkeit, ihrem Mehr-als-eine-Person-Sein, ihrer angedeuteten Identitätsauflösung oder zumindest ihrer In-Frage-Stellung des Subjekts als Einheit, in symbiotischen Sehnsüchten einerseits und andererseits ihrem Rekurs auf sich selbst - der Körper als letzter Rückzugsort, als Ort der Vereinigung und des Selbstschutzes. In Wohnouts Bildern wird, angenehm unpathetisch, in meist frühlingshaften Farben, das Leben in seiner primären, dabei nicht nur, aber auch sexuellen Körperlichkeit – einem Körper als Wohn- und Empfindungsraum - , gefeiert.

© Tanja Dückers, Berlin, im September 2011

Open Art Festival Salzburg 2010

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